The E-Bike Diaries

Diario Boliviano Part III

/ Bolivia

Coroico 8.3. bis 11.3.16

Tja das war jetzt ein etwas längerer Aufenthalt in den Yungas drüben. Teilweise geplant aber auch, weil unsere «Poderosa 1» ein defektes Hinterrad hatte und es etwas gedauert hat, bis wir das wieder geflickt gekriegt haben. Noch nie fühlten wir uns Che und Alberto so nahe. Bei denen ist ja kaum ein Tag vergangen, ohne dass sie an ihrem Töff rumgeflickt haben. Aber nun scheint alles wieder rund zu laufen.

Die Yungas sind quasi der Übergang zwischen den Anden und dem bolivianischen Tiefland im Amazonasbecken. Völlig anderes Klima als oben auf dem Altiplano. Kaffee, Bananen, Platanos, Zitrusfrüchte und Coca wachsen da. Letzteres wird in kleinen Parzellen, die dem dichten Wald abgewonnen werden, an unglaublichen Steilhängen angepflanzt. Da würde bei uns einer nicht mal mehr heuen, ausser der Berglandwirth vielleicht, mit seinen Untertanenländlern. Aber um da hinzukommen mussten wir uns aus dem La Paz-Kessel zuerst mal hocharbeiten auf die «Cumbre». Das ist die Passhöhe auf 4700m.ü. M. Zum Glück konnten wir unsere Trailer beim Luis zurücklassen und waren so etwas leichter unterwegs. Elegante umkurvten wir die Minivans-Taxibusse im Aufstieg. Die Stadt zieht sich ja unendlich weit hoch. Auf ca. 4200 oder 300 Metern waren immer noch Häuser und Stände, Strassenküchen und ganz viele Reparaturwerkstätten für die lädierten Laster und Busse, die zu Schaden gekommen sind bei der Passfahrt.

Die Idee war ja, hinten runter – man fährt von vier sieben auf neunhundert Meter runter! – die «carretera de los muertos» zu nehmen. Das ist die alte Strasse, wos teilweise hinter Wasserfällen durchgeht und wos zum Teil sechshundert Meter in den Abgrund abfällt. Früher ist da der Verkehr in beiden Richtungen rauf und runter und an den prekären Stellen hat einer gewohnt und den Verkehr mit roten und grünen Flaggen durchgelotst. Trotzdem sind etliche abgestürzt. Die gefährlichste Strasse der Welt solls sein. Aber jetzt Turiattraktion. Die fahren einen mit Bussen hoch. Bike auf dem Dach und dann geht’s ab. Wenn dus überlebt hast kriegst ein «Carretera de los Muertos Survival-T-Shirt»:)

Aber für uns ists soweit eben nicht gekommen, weil Radlager an Poderosa 1 schon im Aufstieg geächzt hat und sie drum auf Toyotabrücke musste, samt Fahrer. Nur dieser dasmal vorne, weil keine Lady auf dem Beifahrersitz. Die Abfahrt durch die gefühlten 5 Klimazonen , von Bergwetter mit kalten Ohren, über Regenschauer, zu mystischen Nebelbänken, gemässigten langen Kurven bis hin zu Zürisommerwetter und dann tropischehheissfeuchte Talsohle, wo du dann wirklich auch nur noch im Unterhemd weiterpedalst. Auch, verdammt das war so nicht geplant, von der Talsohle nach Coroico gehts dann doch nochmal einen Tusiger ufe, zum Schluss. Ich also ich ziemlich geknüttelt angekommen und Luca schon beim Bier. Und, die Todesstrasse habe auch ich rechts liegen lassen. Zweimal ist die Aufforderung schwarz auf gelb unmissvertändlich gekommen sich mit dem Velo auf die carretera zu begeben. Aber alleine wollte ich nicht sterben und zudem Nebel und keine Ahnung wie lange das dauert. War ganz froh hatte ich ne saubere Ausrede und bin die Asphaltpiste runtergeblocht, das ist auch besser für die Handgelenke, nämlich.

Coroico ist ja auch eine ganz angenehme Adresse, um etwas abzuhängen. Etwas turistische Infrastruktur aber immer noch genung boliviauthentisch. Immerhin, es gibt einen sagenhaften Italiener – von einer Französin geführt und einen super Mexikaner. Excellente tacos von einem manischen Bolivianer und zu guter Letzt eine aufgeräumte deutsche Kaffe-Terasse mit holländischem Akzent.

Vorgestern hats dann zwar nur geschifft. Tropisch warm aber so dass die Bäche rostbraun durch die Strassen gelaufen sind und ich mich fest an meine Tage damals bei den Uzachi in den Bergen Oahaxas erinnert habe. Endlich den Haas fertig lesen, wird ja auch mal Zeit, dass der Brenner seien Fall gelöst bekommt! Gestern dann hats aufgeklart und ne Mountainbiketour zu den Cascadas lag drin. Aber da musste man dann Velo an einer Stelle schultern, weil ein Bach zu einem mittleren Fluss geworden ist und einen meterhohen Schutt und Schlammkegel auf dem Feldweg zurückgelassen hat. Zum Glück gabs hinten bei den Cascadas Becken, wo man reinspringen konnte und sich den Schlamm wieder von den Füssen waschen.

La Paz again 13.3.2016

Um an den Titicacasee zu kommen führt der Weg zurück, hoch über die Cumbre und dann wieder runter in den Hexenkessel. Mussten ja zudem die Trailer beim Luis in La Paz abholen und uns fit machen für die Fortsetzung Richtung Copacabana. War fast ein bisschen wie ein Heimkommen beim Luis. Das Richtige, ursprüngliche Copacabana, unser nächster Etappenort, liegt nämlich in Bolivien am Titicacasee.

Achacachi 14.3.2016

Übernachtungsmässig sind wir glaub auf dem Tiefpunkt angekommen. Unser Dormitorio hat grad mal 8 Quadratmeter ein Bett steht quer, eines längs. Durchgelegenen Matratzen, fast schon Hängemattenstyle. Aber das Wichtigste: eine funktionierende Steckdose wo unsere Batterienbabys bereits fröhlich vor sich hinblinken. Die Garantie sozusagen morgen hier wegzukommen.

Die Strassen von La Paz hoch zur Agglo Stadt El Alto sind oft so steil, dass wir sie mit unseren gepackten Satteltaschen und beladenem Trailer nicht mal im Turbomodus mit Vollpedalen meistern konnten. Ausserdem ist El Alto die schnellst wachsende Agglomeration Südamerikas, die in alle Richtungen endlos in den Altiplano raus wuchert. Verkehrchaos, kannst du Dir vorstellen, inbegriffen. Noch mehr als ichs mir habe vorstellen können, da Sonntag und daher «feria» also die halbe Stadt mit Markt, Garküchen, Klamottenständen belegt ist. Da musst Du schon wissen wie du das umfahren kannst.

Der Entschluss kurzfristig auf motorisierte Unterstützung zurückzugreifen, um aus dem Gewirr raus zu kommen, ist drum einstimmig und schnell gefallen. Schneller als die Verhandlungen mit den Taxistas, die wollten dann eben mehr al abgemacht wegen ferias und so. Auf x Schleichwegen durch das EL Alto Gewirr haben sie uns auf der Autopista Richtung Titicacasee abgesetzt haben. Grad dort wo die grosse Baustelle begonnen hat. Nichts von orangen Schilder, die die Umfahrung eindeutig signalisieren. Vergeblich suchst du an jeder Hausecke Pfeile, die dich unmissverständlich weiterleiten und wieder zurückbringen auf die Spur. Wir also schon wieder auf irgendwelchen holprigen Umfahrungstrassen, hin und her durchs Quartier bis wir es schliesslich ganz aufgeben und auf der Baupiste selber den Ausgang aus dem Labyrinth finden.

Zurück also auf dem Altiplano gen Norden. Im Osten die leuchtenden Spitzen der Cordillera Real. Den Nevado Ilimani 6402m durften wir schon aus dem Küchenfenster in La Paz bewundern, wenn sich denn mal die Wolken gelichtet hatten. Ist schon eindrücklich, bist auf 4000 Metern, glaubst oben angekommen und da geht’s dann einfach nochmal so locker 2500 Meter rauf.

Die Strasse hat genervt. Alle gefühlte 500 Meter ist wieder so ein «deviso» gekommen. Eine Baustelle wo nix gebaut wird, der Asphalt aber aufgerissen und staubige Holperpiste über die die Taxis, Busse, Laster und Offroader ohne Bremspedal drüberbrettern und wir in der Staubwolke versinken. Da kommt man auch gar nicht so richtig in den Rhythmus von wegen «runder Tritt» und so. Wie auch immer. Nach 75 «keis», wie Amigo Luca zu sagen pflegt: Wasser in Sicht. Und diesmal echt. Keine Fata Morgana wie am Lago Poopò. Wir sind am Titicacasee, dem Sagen nach der Geburtsstädte der Inkas, angelangt.

In Huarina, dem ersten Ort am See Treffen wir auf Artgenossen. Pablo und Olga, ein «pareja» wie er grad zu Beginn deutlich macht, aus Spanien, sind seit dreieinhalb Jahren mit dem Velo unterwegs. Von Alaska nach Patagonien. Entsprechend ihre Oberschenkel- und Arschmuskeln. Mit von der Partie auch Jhonatan, der Colombiano, den sie unterwegs getroffen haben und zwischenzeitlich gemeinsam pedalen. Zusammen hocken wir an einem der Plastiktische an der Strassenecke. Sie bieten uns Neskaffee, heisses Wasser und azucar an, berichten von ihrer Strecke durch Peru und Ecuador während wir von unseren Abenteuern in Argentinien und Bolivien erzählen. Welche Strasse asphaltiert, wie der Verkehr, wieviel rauf und runter, wos besonders schön, ob und wos Schlafmöglichkeiten gibt, wie man unbehelligt über die Grenze kommt.

Als Olga dann unsern Flyer ausprobiert ist ihr Kommentar: «El turbo da miedo». Im Turbomodus hat sie Angst gekriegt vor der Beschleunigung, sagt sie. Uns ist es fast etwas peinlich, dass wir so «hochgerüstet» unterwegs sind. V.a. im Vergleich zu Julians Bike. Er hat sich aus Plastikkübeln selber Satteltaschen gebastelt, die er mit einem ausgetüftelten System von Schnellspannern an seinem Rad festmacht. Den Ersatzpneu hat er irgendwie um die Sattelstange gewickelt. Am Lenker baumeln ein paar abgetretene Wanderschuhe. Gleichzeitig merken wir aber auch ihre Bewunderung für unsere Räder und Trailers. Fachmännisch werden Halterungen, Federung, Brems- und Schaltsysteme untersucht. Ein bisschen Neid schwingt mit. Zum Schluss ein Fototermin, eine herzliche Umarmung «buen viaje» und ab. Sie da wo wir herkommen und umgekehrt.

Copacabana 14.-16.3.2016

Hier ist eigentlich der geplante Schluss der Bolivienetappe. Copacabana, ein würdiges Etappenziel, das wir fahrplanmässig fast eine Woche zu früh erreicht haben. Das gibt uns Zeit etwas abzuhängen, lesen, Musik hören und unsere Geschichten aufzubereiten. Die Fahrt entlang den Ufern des Sees; ein Traum. Im Grunde genommen sind es zwei Seen. Der Lago minor im Süden und der Lago superior, der grössere also, im Norden. Verbunden mit einem Art Bosporus. Die Überfahrt auf einer primitiven Holzfähre, vorne ein bemalter Turibus, passt hintendran grad noch ein Minivantaxi. Wir aufgereiht auf der einen Seite daneben mit unseren Flyern. Auf der rechten Seite zwei Motorradhelden, die uns vorher noch mit einem lässigen Daumenhoch überholt haben, bei der Anfahrt zum Hafen. Der See ist spiegelglatt, zum Glück. Irgendwie wirst du das Gefühl nicht los, der Bus hätte seinen Schwerpunkt etwas gar weit oben und ein heftiger Wellenschlag könnte das ganze Bagage zum Kippen bringen. Also das denken halt die «Gringos», die Locals haben für diese Befürchtung nur ein müdes Lächeln übrig. «Nunca» ist sowas vorgekommen und wird auch «nunca» passieren. So auch heute nicht.

In gewunden Strassen geht es wie am Peleponnes die Küstenhügel hoch. Auch die Vegetation ist mediterran, also so kommts mir zumindest vor. Wenn man das biologisch analysieren würde wohl untauglicher Vergleich. Aber du weisst was sich meine. Warm, rauh, Dornengebüsch. Mimosen?-duft und ätherische Note der gefällten Eukalyptusbäume. Letzteres stimmt zweifelsfrei! Und immer wieder wird der Blick frei auf eine nächste Bucht. Tiefblau unter uns. Und alles ruhig. Kaum Schiffe. Kaum Verkehr auf der Route. Eigentlich erstaunlich, beides. Auf dem Zürisee wäre es voll mit Segelbooten und Motorjachten und «in Kolumbien würden hier die Jetskis um die Wette flitzen», so mi amigo Luca.

Die Achse vom Hauptplatz Copacabanas runter zum Strand ist vollgepackt mit Souvenirläden, knallfarbige Stoffe, Lamamützen, Filzhüte. Kaffes, Pizzerias, Kneipen alle mit WIFI, wie überall auf der Welt in den turistischen Orten. 100 faches Angebot zu der «Isla del sol» zu fahren oder im Kombiangebot auch zur «isla de la luna», beide mit Inkaerbe bestückt. Ich wollte mich ja auf diese Turitour einlassen, Luca hat schon mit der Nase gerümpft – er war ja aber auch schon dort vor 15 Jahren oder so und damals war halt das hier alles noch ganz anders, ruhig und beschaulich und überhaupt nur drei Hotels. Also aber ich finde es immer noch ruhig und beschaulich, abgesehen von den Hippsterkafis. Aber das hat ja auch was, zur Abwechslung. Beim Versuch mich auf eines dieser Boote einzuchecken gestern, habe ich mich aber doch wieder umentschieden. An die Hundert Backpackers pro Boot – und das war nicht die Pantha Rei – da hätt ich wohl kaum gemütlich weiter Krimi lesen können auf der Überfahrt und dann auch kaum Zeit auf der Insel und zack schon wieder zurück.

Der Plan ist gemacht. Heute nochmal eine Flyertour ohne Gepäck, den Holperpisten der Küste entlang zu den kleinen Orten in den Buchten. Aber erst wenn die Sonne nicht mehr so knallt und das Licht besser ist, gell, ist ja klar. Wäsche waschen – soweit nötig und sinnvoll – bloggen, lesen, ausruhen. Morgen geht’s dann auf zu der «Bolivia extended version». Rüber nach Peru. Puno am westlichen Ufer des Sees. Eine letzte gemeinsame Etappe, bevor ich dann umkehr und Luca in Lima meinen Nachfolger Alex abholt.