The E-Bike Diaries

Diario Fortsetzung

/ Bolivia

Uyuni 28. und 29.2.16

So und jetzt kannst du mal raten wie wir nach Uyuni gekommen sind. Dann kannst Du auch gleich sehen, wie gut du uns kennst.

a) Wir haben den Umweg über Potosi mit dem Flyer Schnelltempo auf der asphaltierten Strecke unter die Räder genommen.

b) Wir haben alle Ratschläge in den Wind geschlagen und haben die Schotterpiste mit unserem Gefährt in Angriff genommen: wir sind ja schliesslich nicht aus Pappe.

c) Wir haben auf den Zug gewartet der heute Montags von Tupiza nach Uyuni gefahren ist und unsere Fahrhabe in den Güterwagen verfrachtet

Habe also aus CH schon die Rückmeldung bekommen, das sei alles chli lang zum Lesen aufm Händy und so. Tatsache ist, dass in diesen Tagen, auch wenn gar nicht so viel los ist, doch soviel passiert. Heute extrem. So, dass der Luca schon weggeknackt ist und es ist erst knapp vor zehn. Aber ich werde versuchen zu kürzer zu werden. Versprochen. Weil es ist ja vielleicht auch nicht so wichtig für euch wie unser zmorgen aussieht und wann wir wo wieder abfahren und ob wir schon wieder Proviant gekauft haben.

Aber nun zur Auflösung des Rätsels. Die die es schon wissen, haben es hoffentlich noch nicht verraten. Es stimmt nämlich d) Wir haben die Velos, Trailer und Satteltaschen auf den Toyota Pickup von Emilio gepackt und sind Richtung Atocha losgerattert und haben dann die letzten rund 40 Wüstenkilometer vor Uyuni wieder mit den Pedalen bestritten. Also etwas ein Mix aus b und c aber eben nicht Zug sondern Toyota.

Weil Emilios korpulente Frau auch mitwollte gabs dann für uns beide nur hinten auf der Pritsche einen Platz. Wir also, wie richtige Indianer, vermummen uns und setzen uns auf den Holzklotz, Rücken zur Fahrerkabine. Gut ab und zu sind wir auch aufgestanden weil gerattert hats ja wie blöd und im Stehen haben wir uns gefühlt wie Brad als es auf der Titanic noch gut ging. Nur eben nicht Meer und auch nicht mit der Geliebten aber glücklich von Szenerie durch die wird da tauchten den faszinierenden Farben der Felsen, dem lauen Fahrtwind, dem Gefühl der Freiheit. Auch, dass wir nicht selber die immer steiler werdende, nie enden wollende Holperpiste bestreiten müssen, hat uns unsere Entscheidung, angesichts der Verhältnisse, bestätigt. Immer mehr Pfützen, schon fast Teiche in die der Toyota mutig eintaucht und immer einsamer wird es auch.

Haben uns nach rund drei, vier Stunden Schüttelpartie gefragt, die wievielte Batterie wir nun wohl verbraucht hätten und ob sie denn noch gereicht haben würde bis Atocha, dort wos dann wohl wieder Nachtlager und Strom gegeben hätte. Niemals wären wir da durchgekommen. Die Strasse windet sich unendlich dem immensen Himmel entgegen immer höher hinauf. Und die wollen sie ja auch ausbauen die Strasse, ein unendliches scheinendes Werk. X Durchlässe für Seitentäler, Einschnitte in Bergflanken und dann planieren alles und teeren. Unterwegs überall «desvios» also Umfahrungen um die Bautrupps. Arbeiter mit roten Overalls und Helm und Sonnenbrille und Tuch. Sehen aus wie Legomännchen. Das musst Du Dir mal auf nem Foto von Luca anschauen. Echt schräg. Auch die Fahrbahn, die sie in die unendlichen Berge fräsen wegen der Dimensionen der unendlichen Weite. Wie im Sandkasten alles. Und die Farben, ein Trip.

Am Abend haben wir dann hier noch recherchiert wo jetzt diese Lithiummine ist. Morgen wollen wir mal sehen ob wir dahin kommen. Und träumen werde ich wohl von den Lamas da oben wo Anden und Himmel zusammenstossen. Die haben alle so bunte Bömbel an den Ohren. Echt lustig sieht das aus und die schauen ja auch so neugierig oder gumpen eigenartig davon und verschwinden zwischen dem Dornengestrüpp.

Sevaruyo 2. März 2016

Jetzt sind wir wirklich out in the nowwhere. Obwohl immerhin noch am highway to heaven gelegen ist dieses Sevaruyo. Der brandneuen Verbindung von Uyuni nach Oururo. Ein Belag vom feinsten. Rabenschwarz und vermutlich sogar noch mit Silberpartikeln versetzt. Funkelt auf jeden Fall im Gegenlicht wie glitzernder Schnee. Strassenbau scheint Programm im Estado Plurinational de Bolivia unter Evo Morales. Die Strasse eins A, Verkehr aber fast keiner. Was uns natürlich recht ist. Fragen uns dann aber doch was das den Leuten bringt. Offenbar gibt es wenige, die sich ein Gefährt leisten können, um drauf zu fahren. Trotzdem, alle die wir treffen scheinen mächtig stolz auf die neuen Verbindungsachsen. Unser Alojamento heute für 20 Bolivianos also knapp drei Stutz. Zwei durchgelegenen Matratzen mit zig Wolldecken drauf, die wir erstmal wegnehmen und unseren Schlafsack drauf ausbreiten. Die Glühbirne hängt lose von der Decke aber Hauptsache Strom! Damit wir unsere Batterien wieder aufladen und fortkommen morgen.

Unterdessen scheinen wir uns akklimatisiert zu haben, bewegen uns um die 3700 M ü. Meer plus minus 100 zweihundert Meter. Und kommen ganz gut voran. Heute warens rund 120 Kilometer die wir abgeflyert haben. Start in war in Colchani am salar de Uyuni, wo wir unter einem gigantischen Sternenhimmel gepennt haben, nachdem wir uns im noblen 4 Sternhotel am Buffet mit lauter Japanern und Chinesen die Bäuche vollgeschlagen haben.

Leider konnten wir mit den Velos nicht über salar fahren zur Insel Incahuasi. Es war zu viel Wasser. Hatte ein paarmal gewittert, ist ja eigentlich auch Regenzeit. Aber was da auf diesem Salar de Uyuni abgeht ist ja wirklich unbeschreiblich. Karavanen von Offroadern fahren im Minutentakt Turis auf den See. Die kommen natürlich auch durch das kniehohe Wasser. Aber das kann ich ja auch. Unterer Teil der Hose weg und rein. Schon werde ich zur Turiattraktion. Man läuft durchs Wasser auf Salzsee. Die Likes und Snapshots aus den SUVS fliegen mir entgegen.

Also in Uyuni hat leider einiges nicht so ganz geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir wollten zu Lithiums-Förderungs-Pilotanlage, um eine kurze Reportage über die Lithiumförderung zu machen, weil das steckt ja auch in unseren Batterien für den Flyer. Der offizielle Weg geht über die staatliche Minengesellschaft Comivol. Und dort verlangt man eine Genehmigung aus La Paz. Bedeutet, die muss man sich dort besorgen oder wohl eine Woche Telefon und Emailverkehr erdulden. Also streichen. Die beiden Senoras aus dem Hotel haben uns aber wieder Mut gemacht. Weil die eine hat einen Cousin, der in der Planta arbeitet und der kann uns sicher mit reinnehmen, morgen. Wir schon voller Hoffnung, klar, kaufen und Tickets nach Rio Grande, wo die Anlage steht. Kommt der Cousin Willliam etwas später selbst vorbei, zerschlägt sich unsere Hoffnung wieder. Er kann uns hinbringen- für ein paar Bolivianos ist ja klar – aber wir können die Anlage nur von aussen fotografieren, dürfen nicht rein. Lithiumförderung also quasi Staatsgeheimnis.

Chalapata 3. März 2016

Wir sind angelangt am See, den es nicht mehr gibt seit Weihnachten. Desaparecido, verschwunden, aus fertig, weg ist er. Ausgetrocknet. Fische tot, Flamingos auch oder fort. Wüste. Alles nur noch Fata Morgana. Weil wir zuerst von weitem aufm Rad runter geschaut haben sind wir drauf reingefallen. Dort hat es doch Wasser aber beim Näherkommen: alles Blendwerk. Einige Tümpel gibt’s grad noch. Dort hocken sie auch, die letzten überlebenden Flamingos. Etwas weiter draussen die Boote die auf dem Trockenen sitzen. Zeugen einer vergangenen Fischerei. Der «pesce rey», der Königsfisch war hier der Brotfisch und willkommene Abwechslung zum gebratenen Rind- und Pouletfleisch. Llapallapani eine Kommune von rund 100 Fischern muss sich was anderes einfallen lassen. Manuel Chorus Huanco der ehemalige Fischer ist zum Maurer mutiert und baut sich und seiner Familie ein neues Haus aus Ziegelstein um seine Lehmhütte herum. Viele gehen arbeiten, nach Oruro, La Paz, Santa Cruz oder aufs Land. Aber sie kommen zurück. Bisher hat niemand sein Haus verlassen. Auch wenn sie ein Jahr weg sind. Die Einwohner von Llapallapani kehren zurück. Andere machen Hüte, wir begegnen auf der sandigen Strasse einer Frau, die im Gehen Lamawolle spinnt. Verlassen scheint das Dorf nur auf den ersten Blick. In der Schule wimmelt es von Kindern, denen in der Pause das ganze Dorf gehört. Sie umzingeln uns neugierig und schüchtern zugleich.

Hier in Chalapata soll am Samstag Quinoamarkt sein. Produzenten und Käufer treffen aufeinander verhandeln über Qualität und Preis. Überall auf unserem Weg haben wir sie gesehen, die Quinoafelder. Getreide das in diesen Verhältnissen, sandigen Böden, extremen Temperaturschwankungen, grosser Trockenheit gedeiht und das es mittlerweile auf den Weltmarkt geschafft hat. Im May soll die neue Ernte eingefahren werden. Was offenbar jetzt schon klar ist: der Preis ist gegenüber dem Vorjahr auf einen Viertel zusammengesackt. Wir entscheiden dann morgen ob wir noch bis Samstag hier warten oder schon Richtung La Paz weiterreisen. Oruro wäre die nächste Stadt rund 100 Kilometer nördlich am anderen Ende des Poopò-Sees, beziehungsweise des verschwunden Poopò-Sees.

Oururo 4.3.2016

Razna Poopo Marchacamarca SoraSora KalaKala. Nein das hat nichts mit dem Dada Jubiläum zu tun. Das sind die Orte an denen wir heute vorbeigebrettert sind. Und wenn ich sage gebrettert, dann meine ich megaschnell durchgflyert. Kilometerfressen heute entlang des ausgetrockneten Poopò.

Ein kleiner Abstecher in einen Lehmhüttenweiler hat uns zu Augenzeugen einer Lamametzgete gemacht in einem Hinterhof. Ein abgeschnittener Lamakopf, ein Kübel voller Blut. Das Vieh enthäutet. Der Schlächter grad dabei ihm den Bauch aufzuschneiden, besser brechen und das Gedärme rauszuholen. Draussen, auf der anderen Seite der brusthohen Lehmsteinmauer das nächste Opfer mit gebundenen Beinen und verbundenen Augen harrt es der Dinge die da kommen. Ich Flashback an unsere Stör-Metzgeten in Böiju. Der Gestank nach Eingeweiden und warmem Blut, das wir Kinder jeweils mit dem Schwingbesen rühren mussten, damit es nicht gerinnt, bevor es gewürzt und in die gewaschen Därme zur Wurst gegossen wurde.

Wir haben schnell genug gesehen, nein, das hier ist nicht ein ehemaliges Fischerdorf wo wir Auskunft erhalten, wie es nun weitergeht nachdem der See ausgetrocknet ist. Nach rund 100km fahrt sehen wir von weitem Oururo, unser nächstes Etappenziel. Eine Minenstadt am nördlichen Ende des Poopò-Sees. Durch die staubige abgasgeschwängerte Vorstadt radeln hupend und klingeln wir ins Zentrum. Eine Staubmaske schützt uns vor akuter Atemnot. Wir sehen aus wie zwei Aliens inmitten von Kleinbus-Taxis; klapprigen SUVs und Lastern, schaffen es aber dank jahrelanger Stadt-Veloerfahrung uns durchzukämpfen zur nächsten Dusche.

5.3. Oururo again

Luca hat über seine Kontakte eine Einladung gekriegt zur Vollversammlung der Fischer des Poopò Sees. Diese Chance mit den Leuten zu reden und direkt mitzukriegen wie ihr Kampf um den verlorenen See aussieht wollen wir uns nicht entgehen lassen und entschliessen uns 1 Tag in der Stadt zu bleiben auch wenn wir keine vernünftige Bar gefunden haben am Vorabend und auch sonst nicht besonders Bock auf Stadt haben. Dafür bleibt Zeit die Portraits und Interviews mit den Uru- Urus, den Menschen vom Wasser und mit den Aymaras zu bearbeiten. Wer weiss vielleicht interessiert sich in Europa jemand dafür

7.3. La Paz

Jetzt pass auf, das sind 2 Tage in einem, das hast Du sicher mitgekriegt. Einmal weil gestern war ich zu faul 2mal weil die rund 220km Fahrt nach La Paz in 2 Etappen: Oururo-Chalapata; Chalapata-La Paz sich etwas ähnlich sahen. Windschattenfahren auf dem Pannenstreiffen am Morgen, um möglichst viele Kilometer zurück zu legen. In einer Zwischenetappe anhalten und sich in einer tienda, einem einfachen Restaurant – da gibt’s immer sopa mit allem möglichen drin aber Hauptsache verkochte Teigwaren und zum Segundo arroz mit irgendeinem Fleisch und manchmal Kabis oder Ziwebeln und Tomaten – nach einer Möglichkeit umsehen eine Batterie nachzuladen, damit man zweifelsfrei den nächsten Etappenort erreicht. Weil ohne E-Unterstützung und wie oft im Altiplano-Gegenwind sind unsere beladenen Bikes samt Trailer schwer zu bewegen. «Das möchtest Du nicht erleben», meint Luca zur Aussicht, dass die Batterien irgendwann unterwegs alle sind. Und wo er recht hat, hat er Recht.